Nichtstun - geht denn das?

Können Sie sich erinnern, wann Sie sich zuletzt aus vollem Herzen dem Nichtstun hingegeben und der Leere gelauscht haben, die dann entsteht, wenn alle Aktivitäten ruhen und sich nur die Bauchdecke beim Atmen hebt und senkt?

Die Vorstellung nichts zu tun, ist einerseits sehr verlockend, andererseits jedoch auch etwas befremdend. Auch wenn wir uns immer wieder einmal danach sehnen, nichts zu tun, ist die Umsetzung dieses Wunsches in die Praxis doch eine enorme Herausforderung, da wir häufig vermeintlich gute Gründe dafür finden, das Nichtstun zu verschieben.

Inzwischen ist allgemein bekannt, dass, wenn man bspw. einen Bürojob hat, ein körperlicher Ausgleich benötigt wird.  Nicht zuletzt aus diesem Grund boomen Fitnessstudios. Dass aber auch, bedingt durch die Informationsflut, der wir täglich ausgesetzt sind, unser Geist einer entsprechenden Erholung bedarf, ist bei weitem nicht so geläufig. Interessanterweise gehen jedoch die meisten von uns mit ihrem Körper offenbar pfleglicher um, als mit ihrem Geist. Dennoch ist in den letzten Jahren ein Trend feststellbar, dass manche Menschen versuchen, ganz bewusst abzuschalten, indem sie sich bspw. für geraume Zeit in ein Schweigekloster zurückziehen oder den Jakobsweg gehen u. Ä. Eine Auszeit, die dafür genutzt wird, um zu sich selbst Kontakt aufzunehmen. Davon können allerdings die meisten von uns wohl nur träumen.

Getrieben von der Sorge, etwas verpassen zu können, sind wir permanent online, um allzeit selbst informiert und für andere ständig erreichbar zu sein. Zwar leiden wir einerseits an einer kontinuierlichen Reizüberflutung und dem Gefühl andauernder Überforderung, sind aber andererseits trotzdem ständig um bspw. schnellere Datenleitungen und leistungsfähigere Handys bemüht. Unsere selbstbestimmte Zeit wird offensichtlich immer knapper. Deshalb sehnen wir uns zwar nach Muße, fürchten aber zugleich nichts so sehr, wie das Nichtstun, die Langeweile und das Nichterreichbarsein. Dabei ist schon längst bekannt, dass Geist und Seele eine schöpferische Pause brauchen und gelegentliches Nichtstun notwendig für Kreativität, Selbsterkenntnis und Gesundheit ist.

Beispielhaft sei hier das „Bunker Experiment“ des Neuropsychologe Pöppel angeführt, der bei der Durchsicht der Versuchsprotokolle erstaunlicherweise feststellen konnte, dass kaum einer der Eingeschlossenen über quälende Gefühle berichtete, sondern es diesen eigentlich ziemlich gut ging. Daraufhin entschloss sich Pöppel zu einem zweiwöchigen Selbstversuch im Bunker. Anfangs hatte er noch mit Unruhe und Gedankenflucht zu kämpfen, doch gegen Ende des Experiments fühlte er sich zusehends wohler. So stellte er u. a. fest, dass er hoch konzentriert arbeiten konnte, viel weniger abgelenkt war als sonst und „….in gewisser Weise mir selbst genug war.“ Als er wieder ins Freie trat, fühlte er sich auf eine Art geläutert, die einer religiösen Komponente ähnelte. Er berichtete davon, dass es wie eine innere Reinigung war, sozusagen zu sich selbst Kontakt aufgenommen zu haben.

Leider haben viele Menschen die Fähigkeit verlernt, geistig und seelisch „offline“ zu gehen, also so richtig abzuschalten.
Aus der Arbeitspsychologie ist bekannt, dass die gezielte Reduktion von Reizen sehr hilfreich ist. Zudem haben Hirnforscher herausgefunden, dass das Gehirn auch beim ziellosen Nichtstun aktiv ist. Manche Hirnregionen sind beim Tagträumen, Schlafen oder Meditieren stärker aktiv als bei zielgerichtetem Denken. Dies erklärt auch jene Geistesblitze, welche wir mitunter aus dem Nichtstun heraus entwickeln. Fehlt die äußere Informationsflut, so kann das Gehirn auf inneres Wissen, Erinnerungen, kulturelle Prägungen, unbewusst Aufgeschnapptes und längst wieder Vergessenes zurückgreifen.

Eine sehr erholsame Methode, die das Abschalten erleichtern kann, ist das Gehen in der freien Natur. Der Anblick von Wiesen und Bäumen hat einen erholsamen Effekt. In der ländlichen Gegend wird unser Gehirn nicht ständig mit neuen Reizen bombardiert. So kann es sich bspw. auf einer Almwiese oder beim Blick aus Meer besonders gut regenerieren. Oftmals reicht also schon ein Spaziergang im Grünen, um den „Kopf frei zu bekommen“.
Betrachten wir ein Bild, welches eine geschäftige Straße darstellt, so stellen wir uns automatisch vor, wie es wäre, dort zu sein und spüren auch schon die negativen Auswirkungen auf unsere Aufmerksamkeit. Durch die vielfältigen Eindrücke in einer Stadt wird vor allem unser Arbeitsgedächtnis belastet, das unsere Konzentration und Willenskraft steuert. Je mehr Reize unser Gehirn verarbeiten muss, desto schwieriger wird es, sich zu konzentrieren und bei sich zu bleiben. In der Natur hingegen, wo die Reizdichte erheblich reduziert ist, kann der geistige „Kraftspeicher“ wieder aufgefüllt werden.

Das Stadtleben bringt jedoch nicht nur eine belastende Reizüberflutung mit sich, sondern hat durchaus seine Vorteile. Durch das Zusammenleben vieler Menschen entstehen unterschiedliche Ideen auf engem Raum und es ergeben sich ungeahnte Kombinationen. Um diese Ideen dann aber auch gut umsetzen zu können, ist es wesentlich, sich mitunter eine Auszeit, in einer reizarmen und ablenkungsfreien Umgebung zu gönnen. Es kommt eben auf die Balance an. Der Mensch braucht beides, den Austausch mit anderen Menschen und den Bezug zu sich selbst, die sogenannte innere Autonomie.

Wann ist aber nun die richtige Zeit für eine Auszeit? Um dies herauszufinden, gewöhnen Sie sich an, Ihren Tag am Abend Revue passieren zu lassen und fragen Sie sich, „was habe ich heute Kreatives geleistet?“ Kreativität ist ein wichtiger Indikator für Ausgeglichenheit. Fällt Ihre Kreativitätsbilanz über einen längeren Zeitraum hinweg negativ aus, ist definitiv eine Pause angesagt.

 

´mcb unterstütz Sie gerne dabei Ihre „Auszeit“ zu finden.>>Feddback<<

Literatur
Psychologie heute, Nichtstun, Ausgabe Mai 2015
http://www.zeit.de/2010/49/Geistreiches-Nichtstun

 

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