Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

an dem die Zeit still zu stehen scheint, weil Herr X. hier an diesem Ort, so seine Aussage, "der Zeit nicht hinterherlaufe."

An diesem Platz gibt es keine Deadlines, kein Müssen und keine 10 Sachen, die gleichzeitig erledigt werden sollten. Da gibt es nur diesen einen bestimmten Sessel, der ein wenig in die Jahre gekommen ist und der ihm aber dennoch sehr am Herzen liegt. Stundelang schleift, streicht und poliert er ihn. Und wenn es ihm nicht gefällt, kommt die nächste Schicht Farbe an die Reihe. Im Hintergrund läuft leise die Musik, das Holz knistert im Ofen und der Kaffee wird am Herd gekocht. Eile? Die Beschäftigung mit etwas Anderem? Gedanken an etwas Anderes? Nein, das gibt es hier beim besten Willen nicht …

Doch in unserem Alltag sieht es oft anders aus und wir kennen Sie alle, die „superstressigen“ Momente, in denen wir von einem beruflichen oder privaten Termin zum nächsten hetzen und auf alles nur eine Antwort haben: „Sorry, leider keine Zeit!“ Wie kommt es, dass wir so oft das Gefühl haben, unsere Zeit wäre knapp? Liegt es einfach nur daran, dass wir unsere Tage schlichtweg zu vollpacken? Nehmen wir uns zu viel vor?
Es ist bekannt, dass sich viele Menschen im Arbeitsleben unter ständigem Zeitdruck fühlen. Auch wenn es um das „gesamte Leben“ geht, fühlen sich immer mehr Menschen unter Stress und haben das Gefühl, nie so richtig zur Ruhe zu kommen. Neben den gesundheitlichen Risiken besteht eine weitere große Gefahr, die in so einer Hektik liegt – eine latent vorhandene Unruhe, die ein ständiges Gefühl der Dringlichkeit erzeugt, das uns sozusagen in Dauerstress versetzt. Dies kann auch als eine Erklärung dafür gesehen werden, dass es uns schwerfällt, einfach nur still da zu sitzen und einen Augenblick ruhig nachzudenken. Wir haben den Drang, ständig in Bewegung sein zu müssen. Es scheint uns nicht möglich, in irgendeiner Weise auszuruhen und zu entspannen.

Natürlich führt es zwangsläufig zu (negativem) Stress, wenn man zu viele Dinge in zu kurzer Zeit erledigen möchte. Doch es sind nicht nur die Menge der Aufgaben, die entscheidend für den negativen Gefühlszustand sind. Sehr oft lassen wir unser Tun zudem auch noch von inneren Antreibern begleiten, die uns zusätzlich unter Druck setzen: „Gib Gas; nicht jammern; das kannst du wirklich zwischendurch erledigen; streng dich endlich mal an; das musst du schaffen; Zähne zusammenbeißen und durchhalten, denn nur die Fleißigen werden belohnt!“ …

Eine derartige Betriebsamkeit erzeugt zunächst einmal das schöne Gefühl gebraucht zu werden und nützlich zu sein, was wiederum für unseren Selbstwert sehr wichtig ist. Doch wenn wir unser Bedürfnis nach Pausen ständig ignorieren und es zur Gewohnheit wird, dass wir das Mittagsessen vor dem Computer hinunterschlingen oder sogar unsere Mails auf dem Smartphone auf der Toilette checken, können wir nicht zur Ruhe kommen. Im Gegenteil, wir entwickeln das sehr starke Gefühl, ständig im Stress zu sein und gar keine Zeit für irgendetwas zu haben und jeder Gedanke an zusätzliche neue Termine, berufliche Verabredungen und private Treffen erzeugt neuerlichen Druck. Aber gerade die kleinen Pausen, die kurzen Momente des Nichtstuns, die Möglichkeit ab und zu ins „Narrenkästchen“ zu schauen, sind besonders wichtig, weil in den kleinen Alltagsauszeiten, Erlebtes und Durchdachtes in unserem Gehirn andocken und längerfristig abgespeichert werden kann. Für eine ausgeglichene innere Balance brauchen wir unbedingt Pausen, so genannte „Bedenkzeiten“ und Momente, in denen wir in Ruhe reflektieren, nachdenken oder einfach nur abschalten können, ohne ständigen Input von außen.

Wenn ich heute ein Stündchen Zeit hätte, würde ich … (denken Sie dabei an Herrn X in der kleinen Möbelwerkstatt zu Beginn des Newsletters). Diese Zeit, in der Herr X völlig in seiner Aufgabe aufgeht und versinkt. Eine Zeit, über die er absolut selbst bestimmt und die zudem keinem bestimmten Zweck dient. So eine Auszeit könnte ein verlockendes und wohltuendes Ziel sein, Zeit für ein wenig Muse in unserem hektischen, vollgepackten Alltag zu finden.

Eine Idee von Zeit – eine erste kleine Übung:
Ein erster Schritt, wenn wir uns mit unserem persönlichen Umgang mit zeitlichen Ressourcen und unseren Ideen von Zeit bzw. Zeiteinteilung auseinandersetzen wollen, ist zu reflektieren, wie wir in unserem Alltag den Begriff Zeit verwenden oder wie wir darüber denken und sprechen. Es ist sinnvoll, eigene typische Sätze und Bilder zu diesem Thema aufzuschreiben. Was fällt uns als Erstes ein? Denken wir in Verbindung mit Zeit an Zeiträuber, Zeitsparen, Zeitnot oder ist für uns die Zeit knapp bemessen, ist sie verloren gegangen, muss die Zeit besser ausgenützt werden…? All diese oben genannten Assoziationen vermitteln automatisch ein Bild von Zeitmangel und erzeugen dadurch möglicherweise ein Gefühl der Enge, das wiederum automatisch Stress und stressverstärkende Gedanken erzeugt. Hier kann es in einem nächsten Schritt hilfreich sein, den Versuch zu starten, die stresserzeugenden Bilder von Zeit durch solche Bilder zu ersetzen, die ein Gefühl von ENTSPANNUNG und LEICHTIGKEIT erzeugen, wie bspw. die Möglichkeit, Zeit als Strom zu sehen in dem wir schwimmen, als Muse, die immer da ist, als Lebenspanne, die uns gehört etc. Es geht schlichtweg darum „schöne und entspannte Zeitbilder“ zu entwickeln, die mit positiven Gefühlen assoziiert werden, um Druck herauszunehmen und unmittelbar eine beruhigende Wirkung erzielen zu können.

Liebe LeserInnen, wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat und Sie Ihr Bewusstsein für jene Punkte sensibilisieren wollen, für die Sie Ihre Zeit am liebsten einsetzen möchten, wenn Sie Ihre beruflichen und privaten Zeitressourcen besser planen oder auch den bewussten Ausstieg aus alten Denkmustern und Gewohnheiten wagen möchten, nimmt sich das Team von ´mcb gerne Zeit für Ihr Anliegen.


PS: In Asien darf niemand, der die Füße auf den Schreibtisch gelegt hat, gestört werden, denn er ist beschäftigt -  mit Nachdenken! ;-)

>>Feedback>>

 

Literatur:
Covey, S.R. (2014). Der Weg zum Wesentlichen. Der Klassiker des Zeitmanagements.
Draaisma, D. (2012). Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird.
Geißler; J. (2017). 
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/kultur/menschen-haben-immer-weniger-zeit-in-modernen-gesellschaften-14250135.html

Apps:
Warten. Guide ins Nichtstun
Richtig Atmen und Stress lösen
Zen Garden 3D (kostenpflichtig)
Google Notizen
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