Wie ein Fels in der Brandung…

Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an erfolgreich gemeisterte Krisen denken? 
Ist es der vielzitierte Fels in der Brandung, oder vielleicht eher eine Pflanze, die sich in trockenen Zeiten tief in der Erde verwurzelt um wieder aufzublühen?

Wie wir mit Stress und Krisen umgehen, hängt von unserer seelischen Widerstandskraft – auch Resilienz genannt – ab. Der Begriff Resilienz bezeichnet den Prozess und die Fähigkeit der Aufrechterhaltung oder Wiedergewinnung psychischer Gesundheit während oder nach widrigen Lebensumständen.

Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass Resilienz eine angeborene Eigenschaft sei. Aus der modernen Resilienz Forschung weiß man nun aber, dass es diverse Faktoren gibt, die die seelische Widerstandskraft positiv beeinflussen. Dazu zählen einerseits soziale Beziehungen, ein optimistischer Denkstil, aktive Stressbewältigung und eine gesunde Lebensweise und andererseits das erfolgreiche Meistern von Herausforderungen und Krisen. Das Immunsystem der Psyche wird also nicht durch Schutz vor Belastungen stärker, sondern erst durch das Erleben und die Bewältigung derselben. Krisen können demzufolge als Übungsplatz zur Stärkung unserer Resilienz betrachtet werden.

Sie haben wahrscheinlich schon selbst erlebt wie stärkend es wirken kann, herausfordernde Situationen zu meistern. Eine erfolgreiche Krisenbewältigung bedeutet übrigens nicht unbedingt, dass wir die Stressoren, die die Krise ausgelöst haben vollkommen beseitigen müssen, sondern dass wir - an unsere Möglichkeiten angepasst - damit umgehen lernen. Sind beispielsweise die Umstände nicht von uns kontrollierbar oder veränderbar, könnte zum Beispiel Akzeptanz der klügere Weg der Krisenbewältigung sein. In anderen Fällen, in denen wir den Handlungsspielraum besitzen, die Bedingungen zu verändern kann wiederum ein aktives Gestalten der Situation zielführend sein.

Aus systemischer Sicht verfügen wir bereits über die geeigneten Ressourcen, um unsere Probleme bewältigen zu können. Nun denken Sie sich vielleicht: „Wenn das so wäre, würde ich doch gar nie in die Situation kommen, ein Problem nicht lösen zu können.“ Und da Sie haben Sie natürlich nicht ganz unrecht – so einfach ist es tatsächlich nicht. Das liegt daran, dass unsere Aufmerksamkeit - vor allem in Situationen, in denen wir unter großem Druck stehen - so stark auf das Problem gerichtet ist, dass dieses uns gewissermaßen hypnotisieren, also in eine sogenannte „Problem-Trance“ versetzen kann. Diese „Problem-Trancen“ können unsere Handlungsfähigkeit stark einschränken.

Vergleichen wir unsere Aufmerksamkeit mit einem Scheinwerfer, der auf das Problem gerichtet ist, wird ersichtlich, dass Lösungsmöglichkeiten, die außerhalb des Lichtkegels liegen, im Dunkeln verborgen bleiben.  Das ist die schlechte Nachricht. Aber wie so oft gibt es auch eine gute Nachricht. Es liegt nämlich in unserer Hand, wohin wir unseren Aufmerksamkeitsscheinwerfer ausrichten. 
Dazu bedarf es allerdings meist ein wenig mehr als nur den Vorsatz das zu tun. Unsere Gehirne fokussieren nämlich von Natur aus lieber Probleme als Lösungen. Der sogenannte Negativitätsbias oder Negativitätseffekt war in der Urzeit wichtig, um sich vor Gefahren zu schützen und so das Überleben zu sichern. Hätte die Freude über die Jagdbeute dieselbe Gewichtung wie die Gefahr des herannahenden Raubtiers gehabt, wären die Überlebenschancen des Urzeitmenschen wohl drastisch gesunken.

Was können wir also tun, um der angeborenen Negativität ein Schnippchen zu schlagen und die Kontrolle über unsere Aufmerksamkeit zu bekommen?
Eine Möglichkeit ist metakognitives Training. Haben Sie Lust auf eine kleine Trainingseinheit? Es dauert nur wenige Minuten.

Aufmerksamkeitsübung „Audiofokus“
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf nacheinander auf vier verschiedene Geräusche (z.B.: Strassengeräusche, das Ticken einer Uhr, Stimmen etc.)
In der ersten Runde bleibt Ihr Aufmerksamkeitsscheinwerfer etwa 30 Sekunden bei jedem Geräusch. 
In der zweiten Runde wechseln Sie nach 10 Sekunden zum nächsten Geräusch und in der dritten Runde schon nach 5 Sekunden.
Schließlich versuchen Sie alle vier Geräusche gleichzeitig zu hören. So üben Sie sich in „geteilter Aufmerksamkeit“.
Adrian Wells, der Begründer der metakognitiven Therapie, empfiehlt regelmäßiges Üben, um den sinnbildlichen Scheinwerfer willentlich lenkbar zu machen und so zum Lichtmeister auf der Bühne Ihrer Gedanken werden.

Liebe LeserInnen, wenn Sie nun motiviert sind, den Fokus auf Ihre Ressourcen zu lenken, Ihren Handlungsspielraum zu erweitern und so Ihre Resilienz zu stärken, unterstützen wir Sie gerne dabei - damit Sie hinkünftig stark und gelassen aus Krisen hervorgehen können. <<Feedback<<

Ihr 'mcb Team

Quellen:
Catalano, A. (2017): Krisenmodelle von Verena Kast und Erika Schuchardt. Grin Verlag, München.
Franzen, S. (2021): Happy Hour: Wie wir gesund und gestärkt persönliche Krisen durchstehen. Campus, Frankfurt.
Gehirn & Geist – Spektrum der Wissenschaft. Resilienz. Nr. 11/2017, S14-19.

Weiterführende links: Negativitätsbias – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (stangl.eu)

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