Ups - mitten ins Herz

Wie siehst du denn heute aus!?“, ruft die Freundin und kichert.

„Ach du meine Güte, hast du schlecht geschlafen? Deine Augenringe, oje!?“, sagt die Arbeitskollegin und verzieht das Gesicht.

„Jetzt nicht“, erklärt der Chef barsch im Büro und wendet den Kopf nicht einmal vom PC ab.

Die offenen Haare stehen dir aber schon viel besser!“, bemerkt die Nachbarin von nebenan im Vorbeigehen.

Die mühevolle und mit großem Eifer erstellte Arbeit wird vom Chef mit den Worten „Ist Ihnen nichts Besseres eingefallen?“ kommentiert.

 

Sie meinen es alle wahrscheinlich gar nicht böse, aber es tut weh. Wahrscheinlich war der Chef im Büro momentan im Stress und hat sich deswegen so schroff verhalten. Aber letztlich egal, wieso und warum – unverstanden und verletzt ziehen wir uns zurück. Doch es ist noch kein Ende in Sicht. Am Abend kommen wir drauf, dass der Ehemann wieder den Hochzeitstag vergessen hat und die Freundin am Telefon wieder nur von ihren Problemen spricht. Es fühlt sich wie ein Schlag ins Gesicht an. Wir sind verunsichert, fühlen uns nicht wertgeschätzt, zurückgewiesen und abgelehnt, kurzum wir sind gekränkt. Was den Umgang mit Kränkungen so schwierig macht, ist u.a. das Phänomen, dass nahezu jedes Handeln oder Unterlassen eines Mitmenschen kränkend erlebt werden kann – denn jede und jeder von uns ist durch unterschiedliche Ereignisse kränkbar.

Bei der Einen/dem Einen sinkt das Selbstwertgefühl in den Keller und die Selbstzweifel beginnen am ICH zu nagen. Resigniert, beschämt und frustriert zieht sie/er sich zurück. Die Andere/der Andere wiederum schäumt geradezu vor Wut, ergeht sich in den „ausgefeiltesten“ Rachefantasien, plant trotzig heimtückische und listige Intrigen, tüftelt an bösartigen Mobbing-Attacken oder überlegt sich effektive Racheakte.

Fakt ist, dass das Leben viele Kränkungen für uns bereithält. Einige stecken wir sogar als eventuell interessante Erfahrung weg, andere hingegen treffen uns mitten ins Herz. Hier reicht oft schon nur ein Satz, eine gewisse Mimik, ein bekanntes Verhalten des Gegenüber, und schon fühlen wir uns zutiefst persönlich getroffen. Alte Wunden werden aufgerissen und es wirft uns ungleichsam aus der Bahn. Ob gewollt oder ungewollt, wir werden immer wieder von anderen gekränkt und ebenso kränken wir andere bewusst oder unbewusst. 

Kein Streit, kaum ein Konflikt und nur wenige Krisen sind es, die nicht auf Kränkungen zurückzuführen sind (Prof. Haller 2015). Kränkungen sind es, die das Lebensglück trüben, mannigfaches Leid auslösen, die Menschen in Bitternis stoßen und viele Schicksale bestimmen. Die Kränkungsdynamik zieht sich durch alle unsere Lebensbereiche: sie betrifft unsere Freundschafts- und Liebesbeziehungen, unsere berufliche Situation und gesellschaftliche Ungleichheiten.

Viele Menschen haben Probleme damit, sich eine Kränkung einzugestehen oder über ihre Kränkung zu sprechen und so können diese lange Zeit Macht über sie ausüben. Ein Wort oder eine Geste kann genügen und die alten, verheilt geglaubten Wunden brechen wieder auf. Gefühle von Wertlosigkeit, Verunsicherung, Ohnmacht und Minderwertigkeit präsentieren sich in altbekannter Form und beeinträchtigen das Leben der Betroffenen. Wird eine erlittene Kränkung nicht aufgelöst, kann es im Extremfall zu einer Spirale der Eskalation führen. 

Im Umgang mit Kränkungen kann der Mensch aber auch wachsen. So kann die Selbst- und Menschenkenntnis gefördert, die Emotionalität vertieft werden und letztlich kann die Chance zur Stärkung der Persönlichkeit daraus erwachsen. Die Auseinandersetzung mit der Kränkung kann der Selbsterkenntnis dienen, indem sie uns auf unsere sensiblen Stellen hinweist. Nicht nur auf jene, die uns ohnehin bekannt sind, sondern auch auf die unbewussten und verdrängten oder vergessenen Problembereiche unserer Psyche.
Was können Sie tun, wenn Sie den „Stich mitten ins Herz“ spüren?

Ihr wahrgenommenes Unrecht ansprechen - Wenn Sie etwas kränkt, warten Sie nicht zu, sondern sprechen Sie es an. Versuchen Sie sich auch vor dem Gespräch in den anderen hineinzuversetzen. Denn nur wer bereit ist beide Seiten zu verstehen oder zu akzeptieren, ist in der Lage brauchbare Lösungen zu erarbeiten. Beschreiben Sie so genau wie möglich, welche Aussage oder Handlung Ihnen missfallen hat und Sie gekränkt hat und welche Gefühle diese in Ihnen ausgelöst hat. Vermeiden Sie Schuldzuweisungen und vor allem auch persönliche Bewertungen. Gehen Sie auch nicht davon aus, dass Ihr Gegenüber sofort Einsicht zeigt. Es kann sein, dass sie/er versucht den Vorfall zu bagatellisieren und herunterzuspielen, denn ein direktes Ansprechen ist auch für ihr Gegenüber eine neue Erfahrung und bedarf eines individuellen Lernprozesses.

Eine Kränkung oder Zurückweisung kann eine sehr hohe Belastung für unser seelisches Gleichgewicht darstellen und unsere Lebensqualität, wenn wir uns nicht aktiv mit ihr auseinandersetzen, beeinträchtigen.

Wenn Sie an Ihren persönlichen Kränkungserfahrungen und individuellen Bewältigungsstrategien arbeiten möchten, steht Ihnen das Team von ´mcb gerne zur Seite. >>Feedback<<

Ihr ´mcb Team

 

Literatur
Haller, R. (2015). Die Macht der Kränkung. Salzburg: ecowin.
Wardetzki, B. Ohrfeige für die Seele. (2004). Wie wir mit Kränkungen und Zurückweisungen besser umgehen können. Kindle Edition dtv.
http://www.welt.de/vermischtes/article149321704/Die-zerstoererische-Macht-der-Kraenkung.html

 

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