Genießen - Ein Leben mit allen Sinnen

Sind Ihnen Ihre jeweiligen Sinneswahrnehmungen  immer so gegenwärtig, dass Sie diese ganz bewusst erleben und den Moment genießen können?

Um sich darauf eine Antwort geben zu können, laden wir Sie dazu ein über folgende Beispiele nachzudenken.

• Sie fahren an einem sonnigen Tag durch blühende Obstgärten, während Sie mit Ihrem Arbeitskollegen telefonieren. Sehen Sie trotzdem die Schönheit der Natur, die sie gerade umgibt?

• Sie sind mit der Reinigung Ihrer Wohnung beschäftigt und greifen zwischendurch immer wieder nach einem Stück Schokolade. Schmecken Sie dabei noch das Aroma der Kakaobohne?

• Sie sitzen vor Ihrem Computer und arbeiten konzentriert an Ihrem nächsten Vortrag. Währenddessen nehmen Sie immer wieder einen Schluck Kaffee. Riechen Sie noch den herrlichen Duft des  - womöglich frisch gemahlenen – Kaffees?

• Sie füttern Ihr Kind und essen zwischendurch Ihren eigenen Teller leer. Fühlen Sie trotzdem die körperliche Verbundenheit, die zwischen Ihnen und Ihrem Kind herrscht?

• Sie lesen den neuesten Bestseller Ihres Lieblingsautoren, während im Fernsehen eine Nachrichtensendung läuft, welche Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin kommentiert. Hören Sie ihr/ihm in diesem Moment bewusst zu?

Kann es sein, dass Ihnen einige der oben genannten Beispiele so oder in ähnlicher Form bekannt vorkommen und dass Sie sich eingestehen müssen, so manche Eindrücke nicht mehr bewusst sinnlich wahrzunehmen? Stress, hektisches Treiben, ständig wechselnde Beanspruchungen und permanente Reizüberflutung bestimmen unseren Alltag. Wir sind immerzu gefordert uns rasch auf verschiedenste Anforderungen einzustellen, wobei wir zum Teil  höchste Anpassungsleistungen vollbringen müssen. In dem ganzen Trubel haben wir allerdings scheinbar verlernt auf unsere Sinne zu achten. Durch dieses „sinnlose“ Verhalten berauben wir uns jedoch leider oftmals des Genusses, welchen die Situation bieten kann und verzichten damit auf lohnenswerte oder energiespendende Eindrücke, die uns beim Abbau von Sorgen, Stress und Ängsten unterstützen können.

Den Genuss bewusst erleben zu können, setzt also voraus, dass wir all unsere Sinne nutzen. Um diese Fähigkeit wieder stärker in den Vordergrund zu stellen, kann ein gezieltes Sinnestraining helfen: Widmen Sie sich an verschiedenen Tagen jeweils einer Sinneswahrnehmung ganz intensiv und starten Sie am ersten Tag bspw. mit dem Training der visuellen Wahrnehmung. Richten Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Sie alles sehen -  achten Sie hier besonders auf Formen, Farben oder Größenunterschiede. Stellen Sie sich z. Bsp. vor wie ein bestimmter Gegenstand in einer anderen Farbe aussehen bzw. welchen Unterschied eine Verkleinerung oder Vergrößerung ausmachen würde? Oder Sie überlegen sich beispielsweise wie eine graue Herbstlandschaft im Sommer im  strahlenden Sonnenlicht aussehen könnte und welche Wirkung dieses Bild auf Sie ausüben würde?

Den nächsten Tag könnten Sie bewusst den akustischen Reizen widmen: Versuchen Sie aktiv die Geräuschkulisse ihrer Umgebung wahrzunehmen - welche Geräusche sind dominant, welche sind im Hintergrund, was hört sich beispielsweise beruhigend, was bedrohlich an und welche Gefühle werden etwa durch bestimmte Geräusche in Ihnen hervorgerufen? 

In der Folge könnten Sie sich ihrem Geruchssinn zuwenden, wenn Sie sich in einen gemütlichen Stuhl setzen die Augen schließen. Atmen Sie tief durch die Nase ein und versuchen Sie die verschiedenen Düfte, die Sie umgeben zu differenzieren und zuzuordnen. Vielleicht erinnern Sie sich dabei an angenehme und schöne Erlebnisse, die durch den Duft in Ihrem Inneren erweckt werden. Ihren Tastsinn könnten Sie etwa schärfen, indem Sie mit geschlossenen Augen Ihre nächste Umgebung probehalber „erfühlen“. Versuchen Sie sich hierbei den ertastenden Gegenstand so zu beschreiben wie sie ihn mit ihren Finger „sehen“ bzw. fühlen können. Da wir Menschen im Normalfall einen oder zwei unserer Körpersinne bevorzugen und die anderen dabei automatisch vernachlässigen, liegt hier definitiv Kreativitätspotential brach. Durch die gezielte und b e w u s s t e Aktivierung der vernachlässigten Sinne gewinnen wir jedoch wieder eine größere Fülle an unterschiedlichsten Eindrücken.

Unsere Genussfähigkeit wird aber nicht nur von der sinnlichen Wahrnehmung beeinflusst, sondern auch von unserem grundsätzlichen Verständnis von Genuss. In der Folge finden Sie einige Gedanken zu diesem Thema:

• Genuss braucht ZEIT:
Dies bedeutet immer Entschleunigung, denn ohne sich Zeit zu nehmen, funktioniert kein Genießen! Nebenbei zu genießen, ist nicht möglich. Es ist unabdingbar, sich Freiräume zu schaffen und die Aufmerksamkeit auf einen relativ engen Bereich zu richten. Es geht dabei um Achtsamkeit – wie wir dem Leben begegnen.

• Genießen muss ERLAUBT sein:
Eine genussverbietende Erziehung oder Lebensgeschichte kann starke Defizite und Hemmungen in wichtigen Bereichen des sozialen und emotionalen Verhaltens eines Menschen zur Folgen haben. Wenn das eigene Leben durch solche „Genuss Verbote“ gekennzeichnet ist, gilt es vorerst zu lernen, sich etwas erlauben zu dürfen/ zu können. Selbstfürsorge ist elementar und unabdingbar im Leben – nur wenn es mir selbst gut geht, kann ich auch gut für andere sorgen!

• Wissen was mir GUT TUT:
Die eigenen Vorlieben sind sehr spezifische Angelegenheiten. Diese zu kennen und sich auch nicht  durch die Skepsis seines Umfeldes davon abbringen zu lassen ist eine wichtige Voraussetzung dafür genießen zu können.

• Genuss ist ALLTÄGLICH:
Auf „das“ außerordentliche Genusserlebnis zu warten, heißt die vielen kleinen Genussmomente, die das Leben zu bieten hat, zu verpassen. Es bedarf also nicht unbedingt eines außergewöhnlichen Ereignisses, damit Genuss erfahr- und erlebbar wird, sondern eher der Achtsamkeit darauf, wie wir unserem Leben begegnen.

Wenn Sie Ihre Sinne stärken und weitere persönliche Genussmöglichkeiten entdecken möchten, begleiten wir Sie gerne dabei und richten mit Ihnen gemeinsam die Aufmerksamkeit auf Ihren Alltag. >>Feeback<<

Ihr mcb Team

Literatur:
Handler, B. (2008) Mit allen Sinnen leben. Tägliches Genusstraining. Wien: Goldegg.
Handler, B. (2009) Genusstraining – Euthyme Verfahren – ein Leben mit allen Sinnen. S. 70-76, Psychologie in Österreich.

 

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