Tröstende Erinnerungen - alles, was bleibt….

Über Trauer und Abschied zu sprechen, ist immer eine Herausforderung. Vielleicht ist dies unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die Überwindung und Bewältigung von Trauer und Verlust zu den schmerzvollsten Erfahrungen in unserem Leben gehört.  

Wenn Trauernde gefragt werden, was sie in dieser besonderen Zeit brauchen, geben sie sehr oft zur Antwort, dass sie sich Zeit und Raum wünschen, um über ihre Trauer und den Verlust zu sprechen. Dabei denken viele an den Austausch mit der Familie, mit Freunden oder auch an Gespräche mit trauernden Menschen in einer Selbsthilfegruppe oder in einer ähnlichen Form der organisierten Gemeinschaft. Das Gefühl, dass andere Personen die schmerzlichen Gedanken, Gefühle und Sorgen teilen, gibt den Betroffenen Halt und Kraft.  Doch die Trauer ist so individuell wie die Trauernden selbst und einige der betroffenen Menschen bevorzugen eine Phase des Rückzuges, um die intensiven Gefühle zu verarbeiten, bevor sie sich anderen gegenüber öffnen können. Aus der Forschung weiß man heute, dass die Geschichten über die Verstorbenen wesentlich sind in der Trauerverarbeitung. Sie helfen uns, traurige Erlebnisse zu strukturieren und die Verbundenheit zu fühlen, die viele Beziehungen bereichert hat. 

Dieser Newsletter soll all jenen Menschen gewidmet werden, die uns im positiven Sinn geprägt haben und deren Verlust wir betrauern, weil sie für uns ein wesentlicher und wichtiger Teil unserer Kindheit, unserer Jugend oder unseres Lebens waren. 

Letzte Woche besuchte ich mit meiner sechsjährigen Nichte den Friedhof. Wir zündeten eine Kerze am Grab meiner Großeltern an, ordneten den Kranz und wie nebenbei stellte sie mir unterschiedlichste Fragen. Sie brachte mich mit ihrer kindlichen Sicht der Dinge zum Nachdenken: „Wieso sterben Menschen?“ „Tante, wenn du gestorben bist, was machst du dann?“ Haben Sie jemals versucht, einer aufmerksamen Sechsjährigen mittels ausweichender Fragen zu „entkommen“? Ich kann Ihnen sagen, dass dies eine große Herausforderung ist. Es ist mir ein Anliegen, alle Fragen aufmerksam zu beantworten und möglichst viel Qualitätszeit zu schenken. Ich beantwortete die Fragen so ehrlich wie möglich – mein Überlegen und mein Zögern hatten aber bei ihr einen anderen Effekt, sie legte dann noch mehr Fragen nach. „Weißt du, wo der Uri jetzt ist und wie es ihm geht?“, fuhr sie fort. Ich holte Luft und wollte gerade eine sehr erwachsene Antwort über das Leben und den Tod geben, als mir ein Artikel aus einer Fachzeitschrift einfiel, der dazu anregte, Geschichten über Verstorbene zu erzählen, um die Verbundenheit zu thematisieren und zu spüren.

Ich begann zu erzählen und versetzte mich zurück in meine Kindheit, in der die Großeltern eine wesentliche Rolle gespielt haben. Ich berichtete von den Dingen, die sie mir beigebracht haben, von ihrer Hilfsbereitschaft und Offenheit gegenüber anderen Menschen. In meiner Erinnerung hörte ich ihre Ermunterungen, den Trost und sah die Erlebnisse, die sich so positiv und eindrücklich in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Ich erzählte ihr von deren Kindheitserinnerungen, die sie mir erzählt haben. Vor meinem inneren Auge wurden so viele Begebenheiten wieder lebendig, und ich ließ meine Nichte Anteil nehmen an jenen Kleinigkeiten, die die Großeltern in den Augen der Enkelkinder so wertvoll gemacht haben. In meinen Erinnerungen versunken, muss ich wohl sehr eindrücklich erzählt haben, denn sie hörte zu. Sie stellte für eine lange Zeit keine Fragen, sondern schaute mich aufmerksam an, in der Erwartung, dass noch neue Antworten nachkommen könnten. Ich blieb ehrlich, ich gab zu, nicht zu wissen, wie es den Großeltern geht, aber dass ich Hoffnung habe und daran glaube, dass sie in Frieden ruhen. Dass ich es wichtig finde, offen und hilfsbereit zu sein. Sie überlegte und fragte ganz ernsthaft: „So, wie abtrocknen, Tante?“ Ich schmunzelte angesichts der Interpretation von „hilfsbereit“ und freute mich über ihre Assoziationen, die mir als Erwachsene immer wieder vor Augen führen, dass so viele Dinge im Angesicht von unterschiedlichen Perspektiven relativiert werden können.   

An dieser Stelle laden wir Sie ein, Ihren Erinnerungen Raum zu geben und in einem passenden Augenblick am Abend oder in einem privaten Moment innezuhalten:
An welche Person denken Sie, wenn Sie diese Zeilen lesen? Welche Rolle hat sie in Ihrem Leben eingenommen? War sie ein Familienmitglied, ein Freund, eine vertraute Lehrperson, eine Kollegin/ein Kollege? 
Wenn Sie die Augen schließen und an die geschätzte Person denken, was sehen Sie dann? Ist es ein Lächeln, ein Bild oder hören Sie einen Satz, den Sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verstorbenen/dem Verstorbenen bringen? Was hat sie Ihnen vermittelt und welche prägenden Erlebnisse verbinden Sie mit ihr? 

Die Beantwortung dieser Fragen lässt Erinnerungen lebendig werden, sie führt uns zurück in die Vergangenheit, macht uns bewusst, dass die Vergänglichkeit des Menschen endgültig ist, aber dass auch die Spuren, die sie hinterlassen, prägend und lebensbeeinflussend sind. Und dass Erinnerungen und Werte, die vermittelt werden, bleibend und wirkungsvoll über eine Lebensspanne hinaus sein können. 

Liebe LeserInnen, wenn Sie dieses Thema berührt und Sie selbst auch gerade in der Verarbeitung eines Trauerprozesses feststecken, dann sind wir gerne für Sie da, um Ihren Gedanken und Erinnerungen Raum zu geben. <<Feedback>>


Ihr ´mcb Team 

 

Literaturliste:
Kübler-Ross; Kessler, David (2012): Geborgen im Leben: Wege zu einem erfüllten Dasein; Herder Verlag
Psychologie Heute compact (2021) Trauer und Verlust. Was wir verlieren. Wie wir trauern. Was uns tröstet. Heft 64

 

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