wertvoll-wertvoller-Wertschätzung?

Die anhaltende außergewöhnliche Lage und die dadurch veränderten Alltags- und Rahmenbedingungen beanspruchen unsere Energieressourcen und Kräfte schon seit vielen Monaten. Viele von uns sind beruflich und privat stark gefordert und kämpfen mit den täglichen Herausforderungen des Alltags. Gerade in stressigen Zeiten steigt das Bedürfnis nach Wertschätzung und wertschätzenden Begegnungen. Doch was versteht ein Experte wie Reinhard Haller unter dem Begriff der Wertschätzung?

"Wertschätzung ist zugleich ein menschliches Grundbedürfnis und eine Haltung, die sich in einer wohlwollenden Lenkung der Aufmerksamkeit auf positive Aspekte des Gegenübers zeigt und sich insbesondere in kommunikativem Verhalten äußert.” (Haller, 2019) Dabei müssen weder Kritik noch Meinungsvielfalt vermieden werden. Es sollte bei abweichenden Meinungen auf die Formulierung konstruktiver Rückmeldungen geachtet werden, was destruktive, interpretative und abwertende Aussagen ausschließt und sämtliche Grundlagen der wertschätzenden Kommunikation beinhaltet. Dies klingt plausibel in der Theorie, beinhaltet aber vielfältige Hürden in der praktischen Umsetzung.  Wertschätzung ist bei Begegnungen wo grundsätzlicher Konsens herrscht, und wo wir uns verstanden fühlen, leichter auszudrücken. 

Sehr oft wird der Begriff Wertschätzung zitiert, leider auch inflationär gebraucht, aber bei Stress, Druck, gefühlten Kränkungen und Ängsten geraten wertschätzende Gedanken und Kommunikationsformen schnell in den Hintergrund. Wenn sich Sicht- und Verhaltensweisen von unseren eigenen unterscheiden, fällt es uns schwerer, Wertschätzung zu zeigen. Dies führt zur Erkenntnis, dass bei abweichenden Meinungen und Wahrnehmungen die Grundlagen der wertschätzenden Kommunikation besonders wichtig sind, um trotz Diskrepanzen in den persönlichen Wahrnehmungen, sachlich und wertschätzend zu bleiben. Wertschätzung ist somit wechselseitig und als Teil einer Haltung nicht etwas, das wir kurzfristig vergessen sollten, nur, weil jemand unsere Gedanken und Gefühle nicht teilt. Das Vergessen wertschätzender Bezugnahme auf die anderen ist kein Phänomen, das nur den anderen passiert, sondern dies betrifft natürlich auch uns selbst. Sehr oft fällt es uns leichter, die Verantwortung für wertschätzenden Umgang an unser Umfeld zu delegieren. 

Eng verbunden mit dem Begriff der Wertschätzung ist die Empathie, die als Voraussetzung für jegliche Form der Wertschätzung gilt. Der Begriff Empathie, der vom deutschen Philosoph Rudolf Hermann Lotze erstmalig im 19. Jahrhundert benutzt wurde, leitet sich vom griechischen Wort für „Leidenschaft“ oder „intensive Gefühlsregung“ ab. Später wurde Empathie im Sinne der Einfühlung als innerpsychischer Begriff verwendet. Es geht also um die Fähigkeit, sich in das Gegenüber mit den jeweiligen Gedanken und Gefühlen hineinzuversetzen und Motive und Anliegen, sprich Bedürfnisse zu erkennen. Und diese Möglichkeit ist abhängig von der Selbstempathie, denn die Bewertung der fremden Innenwelten korreliert sehr stark mit dem Vermögen eigene Gefühle, Einstellungen und Werte wahrnehmen zu können. Die persönliche Möglichkeit, Dinge anzusprechen und zu kommunizieren, entspringt unter anderem aus dem jeweiligen Bewusstsein für unser Selbst. Das heißt, je besser wir uns kennen und eigene Emotionen und Empfindungen, Werte, Einstellungen verstehen können, und je mehr Selbstliebe oder Respekt wir uns selbst entgegenbringen, desto größer wird die Möglichkeit, das Gegenüber zu verstehen. In Folge daraus wird es auch leichter, Meinungen bzw. Unterschiede entsprechend zu formulieren und zu kommunizieren. 

Wenn die Empathie ein Teilaspekt der Wertschätzung ist, so ist im Wort Wertschätzung das Wesen der Wertschätzung, der Wert enthalten. Und dieser umfasst alles. was uns wichtig ist -  Respekt, ebenso wie Ehre, Anerkennung, Bewunderung und Würde.  Wertschätzung bezieht sich auf alles was für die Menschen wertvoll ist, auf ihre gesamte Wertewelt.

Die Kultivierung der Wertschätzung kommt laut dem Psychiater Reinhard Haller nicht nur einzelnen Personen, sondern auch der Gemeinschaft zugute, weil die meisten Menschen eine große Sehnsucht nach Wertschätzung haben. Positive Menschen, die Wertschätzung geben, erhalten sehr viel Wertschätzung zurück und können durch ihre wertschätzende Haltung eine wirkungsvolle Resonanz erzeugen. Diese Haltung beinhaltet eine hohe Bereitschaft Wertschätzung zu zeigen und ist oftmals besonders herausfordernd, wenn wir uns in unseren Werten, Einstellungen und Überzeugungen angegriffen fühlen.

Um bei einer möglichst wertfreien Betrachtung zu bleiben, bietet es sich an, Fragen zum besseren Verständnis zu stellen, ohne gefühlt ständig die gleiche Meinung teilen zu müssen. Sehr oft ist es hilfreich, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und als Verbindungselement wertschätzende Kommunikationsformen zu nutzen. Genau in DER Wertschätzung, die sich jede:r einzelne und wir alle als Gemeinschaft verdient haben. 

Sehr geehrte Leser:innen, wenn Sie Gedanken oder Erlebnisse mit uns teilen möchten, dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Wir melden uns auf jeden Fall in gewohnter Wertschätzung zurück. ;-) <<Feedback<<
Ihr ´mcb Team 

 

Literaturliste:
Haller, Reinhard (2019): Das Wunder der Wertschätzung: Wie wir andere stark machen und dabei selbst stärker werden. Gräfe und Unzer Verlag Gmbh. 
Satir, Virginia (2007): Selbstwert und Kommunikation. Familientherapie für Berater und zur Selbsthilfe. 18. Auflage, Klett-Cotta Verlag.

 

Aktueller Newsletter