Shinrin-Yoku - Waldbaden - Waldtherapie

Schon einmal von Shinrin-Yoku bzw. Waldbaden oder Waldtherapie gehört? Shinrin-Yoku heißt wörtlich übersetzt „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“ oder auch frei übersetzt „Waldbad“ oder „Waldluftbad“.

Viele Studien belegen, dass das Waldbaden gesundheitsfördernde Auswirkungen auf uns hat. Schon das Betrachten von Wäldern, Bäumen oder Bildern von Bäumen und Landschaften im weitesten Sinne wirken sich positiv auf unsere psychische und physische Gesundheit aus. Woher kommt das? Die sogenannte Biophilie-Hypothese geht davon aus, dass der durch die Evolution geprägte Mensch dafür ausgelegt ist, in der Natur zu leben. Auch lösen Umgebungen, welche früher als Orte der Sicherheit, Quelle von Nahrung und Heilkraft wahrgenommen wurden, bei uns Menschen positive Reaktionen und Gefühle der Entspannung aus. Die Natur, im Besonderen die Wälder, prägten die menschliche Entwicklungsgeschichte und haben dadurch eine tiefe Verbundenheit mit dieser bewirkt.

Auch der Begriff „forest therapy“ oder „forest medicine“ ist in Japan üblich. In der deutschen Sprache sind die beiden Begriffe „Waldbaden“ und „Waldtherapie“ schwer voneinander abzugrenzen. Hier könnte der Begriff „Waldbaden“ mit gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen und der Begriff „Waldtherapie“ mit therapeutischen Maßnahmen und Interventionen im Wald bei bestehenden Krankheitsbildern verstanden werden. In Japan und Korea hat Shinrin-Yoku eine jahrzehntelange Tradition. Primär geht es beim Waldbaden darum, zur Ruhe zu kommen, sich treiben zu lassen und den Wald in all seiner besonderen Vielfalt wahrzunehmen, um Kraft für den Alltag zu schöpfen. Verstärkt wird der Effekt durch leichte Spaziergänge oder Body-Mind-Übungen wie Yoga, Meditation, Tai Chi oder Qi Gong.

Kaplan und Kaplan beschreiben in ihrer „Theorie zur Wiedererlangung von Aufmerksamkeit“ die vier Stadien des Erholungsprozesses durch Waldbaden wie folgt: Erste Stufe ist das „Kopf-frei-Bekommen“, indem das Gedanken-Wirrwarr langsam verstummt. Die zweite Stufe der Entspannung wird durch die neue „unfokussierte“ bzw. freie Aufmerksamkeit erreicht. Auf Grund der beiden ersten Phasen wird ein ruhiger Zustand, ohne überwältigende Gedankenflut, erreicht. Dieser ruhige Zustand ermöglicht die dritte Stufe, welche den Menschen befähigt, seine eigenen Gedanken, seine Ideen und sich selbst wahrzunehmen. In der letzten und tiefsten Entspannungsphase ist die Reflexion über das (eigene) Leben, die persönlich gesteckten Ziele, die gebotenen Chancen und Möglichkeiten des Lebens zugänglich.

Welche konkreten, positiven, psychischen und körperlichen Effekte hat nun der Wald auf uns Menschen im Gegensatz zu einem urbanen Umfeld?   

Psychische Effekte

Studien belegen, dass ein Aufenthalt in der Natur und im Wald den Stresslevel reduzieren kann. Besonders Menschen mit einer sehr hohen chronischen Stressbelastung profitieren am stärksten von körperlicher Aktivität und ruhigem Sitzen im Erholungsraum Wald. Messungen mit einem mobilen EEG-Gerät ergaben, dass bereits bei einem 15-minütigen Waldbesuch gleich zu Beginn die Alpha-Wellen signifikant anstiegen. Alpha-Wellen werden vom menschlichen Gehirn bei körperlicher Entspannung bzw. Ruhe produziert. Weiters wurde festgestellt, dass es beim ruhigen Sitzen im Wald zu einem relevanten Abfall des Stresshormones Kortisol sowie zu einer Reduktion der Puls- und Blutdruckwerte kommt. Ebenso wurden Aktivitätsveränderungen in bestimmten Hirnregionen gemessen, die für die Stressverarbeitung zuständig sind.  

Körperliche Effekte

Der Einfluss eines Waldaufenthaltes auf die Schlafqualität ist signifikant. Bei Proband:innen, welche über acht Tage jeweils zwei Stunden einen Waldspaziergang machten, konnten nach dem Spaziergang deutliche Verbesserungen der Schlafparameter (Schlafdauer, -tiefe und -qualität) gemessen werden. Noch bessere Ergebnisse zeigten sich, wenn der Waldspaziergang nachmittags durchgeführt wurde. Auch bei Kindern mit Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) wurde nach einem 20-minütigen Spaziergang in einem Park eine Verbesserung der Symptome festgestellt.

Aufgrund der signifikant geringeren Luftschadstoffe im Wald konnte bei Patient:innen mit chronischen Atemwegserkrankungen, Asthma oder Dermatitis nach einem mehrtägigen Waldbesuch eine deutliche Verringerung der Entzündungswerte gemessen werden.   

Weiters berichten der Medizinprofessor Qing Li von der Nippon Medical School in Tokio und der Umweltmediziner Tomoyuki Kawada, dass unsere Abwehrkräfte schon durch kurze Spaziergänge im Grünen gestärkt werden. Blutanalysen zeigten, dass ein ganztägiger Waldaufenthalt bei Versuchtsteilnehmer:innen im Schnitt zu einem vierzigprozentigen Anstieg der sogenannten natürlichen Killerzellen im Organismus führte. Es wird vermutet, dass die Terpene (aromatische Substanzen von Hölzern, Blättern, Nadeln und Rinden) in unserem Gehirn entschlüsselt und dadurch entsprechende Neurotransmitter und Hormone ausgeschüttet werden und dabei unsere Gesundheit gefördert wird. Laufende Studien beschäftigen sich damit, ob Terpene gegen bösartige Tumore wirken. Es zeigte sich, dass Krebsforscher:innen die Wirksamkeit von pflanzlichen Terpenen gegen Tumore zumindest in Zellkulturen vielfach belegen konnten.

Gerade jetzt, in den warmen Jahreszeiten ist die Konzentration von Terpenen im Wald am höchsten und nach Regen und bei Nebel noch etwas stärker.

Liebe Leser:innen, abschließend ist zu sagen - egal wie oft und wie lange Sie „Waldbaden“ - es wirkt sich stets positiv auf Ihr körperliches sowie psychisches Wohlbefinden aus. Nehmen Sie sich Ihre ganz persönliche Auszeit im Wald, um die Seele baumeln zu lassen. Alleine oder mit lieben Menschen, genießen Sie das Eins werden mit der Natur, nehmen Sie die Ruhe des Waldes und dessen Energie mit, um fit für den Alltag zu sein. Wir wünschen dabei schöne Momente. <<Feedback<<

Ihr mcb Team

Literaturliste:

Schuh, Angela; Immich, Gisela (2019): Waldtherapie – das Potenzial des Waldes für Ihre Gesundheit, Springer-Verlag.

Arvay, Clemens G. (2016) Der Heilungscode der Natur. Die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren entdecken, Riemann-Verlag.

 

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