Wer loslässt, hat die Hände frei

Selbstoptimierung liegt voll im Trend. Aber was versprechen wir uns eigentlich von dem Streben, immer das Beste aus uns und unserer Umgebung herauszuholen? 
 
Einschlägige Ratgeberliteratur prophezeit gerne das große Glück, wenn wir einfach nur die beschriebene Anleitung zur Selbstverbesserung befolgen und umsetzen. Jedoch führt dieser Weg meist eher zum Gegenteil. Wer das absolute Optimum anstrebt, wird sein Ziel wahrscheinlich nie erreichen, denn ein bisschen besser geht es doch immer noch, oder? Die „Influencer“ machen es uns imagewirksam in den sozialen Medien vor und hängen dabei die Latte ziemlich hoch. Es werden ausschließlich positive Aspekte präsentiert, die Schattenseiten rücken in den Hintergrund. 
 
Der Aphoristiker Fred Ammon hat sich schon vor Jahrzehnten mit dieser Thematik auseinandergesetzt und treffend bemerkt: „Wo der Anspruch hoch ist, ist die Zufriedenheit niedrig.“ Hier gilt es natürlich zu differenzieren: Sich im Leben erreichbare Ziele zu setzen, ist unverzichtbar, denn das stiftet Sinn und führt zu Weiterentwicklung. Ist jedoch das gesetzte Ziel nur mit unverhältnismäßig großem Einsatz oder auch gar nicht erreichbar, können sich Emotionen wie Wut, Hilflosigkeit oder Trauer einstellen. Vor allem dann, wenn wir über einen längeren Zeitraum hinweg an diesem Ziel festhalten und andere Lösungswege ausschließen. Je mehr wir in die Zielerreichung investiert haben, desto schwieriger wird es, das Ziel loszulassen. Dieser psychologische Mechanismus macht durchaus Sinn, denn er sorgt dafür, dass wir nicht zu schnell aufgeben. In vielen Lebenssituationen haben wir allerdings keinen Handlungsspielraum, um die Bedingungen so zu gestalten, dass eine Zielerreichung in unserem Möglichkeitsrahmen liegt. Dann ist die Akzeptanz unter Umständen der einzige Weg, um einen Umgang mit dem Unvermeidlichen zu finden. 
 
Akzeptanz ist allerdings keine Willensfrage, sondern stellt sich tendenziell erst dann ein, wenn wir uns ausreichend mit der Situation und den damit verbundenen Emotionen beschäftigt haben. In der Abwägung der Verhältnismäßigkeit erkennen wir sehr oft, dass ein weiteres Festhalten am Ziel unverhältnismäßig viel Energie kosten würde. Wir können ein Loslassen des Ziels demzufolge also nicht erzwingen, aber wir können auf jeden Fall etwas tun, damit sich die Akzeptanz eher einstellt -  und auf diese Weise Platz für mehr Zufriedenheit in unserem Leben schaffen. 
 
Folgende Schritte sind Merkmale von Akzeptanzprozessen: 
 
1) Der Situation ins Auge sehen und die dazugehörigen unangenehmen Gedanken und Gefühle zulassen.
 
Das sogenannte „Labelling“ (zu deutsch: etikettieren) von Emotionen ist eine Technik, die uns helfen kann, nicht in den Sog der Emotionen hineingezogen zu werden. Dabei versehen wir ein aufkommendes Gefühl mit einem möglichst bildhaften Etikett. Zum Beispiel: „Ich nehme das Aufsteigen von Wut in mir wahr – es fühlt sich an, als ob Lava in einem Vulkan aufsteigt.“ Das Benennen, sprich „Etikettieren“ von intensiven Emotionen verschafft uns ein gewisses Maß an Abstand. 
Jede Emotion hat eine Funktion bzw. eine Nachricht. Wenn es gelingt, die Funktion zu erkennen und die Nachricht zu entschlüsseln, nehmen wir der Emotionalität die unwillkürliche Wirkkraft. Dadurch wird sie meist schwächer bzw. kontrollierbarer.
 
 
2) Selbstakzeptanz
Wenn wir verstehen, wie wir „ticken“, verändert sich häufig die Einstellung zu uns selbst und dadurch auch zur Situation.
 
3) Akzeptanz anderer
Selbstakzeptanz wiederum macht es uns leichter, auch andere in ihrer Vielfältigkeit zu akzeptieren.
 
4) Lebensprinzipien annehmen
Wenn wir die Tatsache annehmen können, dass das Leben nicht vollständig planbar und kontrollierbar ist, hadern wir weniger mit unveränderbaren Bedingungen. 
 
5) Perspektivenwechsel
So können wir unsere Perspektive erweitern, um unsere Situation positiver zu bewerten und neue Ziele ins Auge zu fassen.
 
Natürlich ist es oft nicht leicht, Wunschvorstellungen loszulassen, aber die Fähigkeit suboptimale Bedingungen zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen, ist wohl ein Teil der menschlichen Entwicklung und stärkt uns für zukünftige Herausforderungen. 
 
Liebe Leser:innen, in  diesem Sinne unterstützen wir Sie gerne bei der Entwicklung von neuen Lösungsideen und Zielen und natürlich auch beim Anstreben der zweitbesten Lösung, sollte die erstbeste nicht mehr zielführend sein, denn „Umwege erhöhen die Ortskenntnis“, oder? :-) >>Feedback<<
 
 
Ihr ´mcb Team
 
 
Quellen: 
Otto, Anne (2021): Akzeptanz lässt sich lernen. Psychologie Heute compact 63 /2021
Reinhardt, Susi (2021): Das leise Glück der Zufriedenheit. Psychologie Heute compact 63 /2021
Hecht, Martin (2021): Scheitern gehört dazu. Psychologie Heute compact 63 /2021
Berndt, Christina (2016): Zufriedenheit: Wie man sie erreicht und warum sie lohnender ist als das flüchtige Glück. dtv premium
 

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