Wo will ich wirklich hin?

Neues Jahr – neues Glück? Gerade am Beginn eines Jahres drängt sich für manche Menschen die Frage auf, ob der Weg, auf dem sie sich befinden, der richtige ist, oder ob es gilt, Weichen neu zu stellen. Manchmal werden Entscheidungen auch aufgrund einer aktuellen Krisensituation nötig. Gerade wenn der Druck aus verschiedenen Richtungen groß ist, kann es aber besonders schwierig sein, gute und nachhaltig passende Entscheidungen zu treffen. Nützlich ist dann alles, was hilft, Distanz zu schaffen und die Perspektive zu erweitern. 

Da Entscheidungen grundsätzlich in die Zukunft gerichtet sind, sind wir verführt, uns beim Abwägen der Optionen alle möglichen Szenarien auszumalen, die auf uns zukommen könnten: „Wäre die neue berufliche Position mit meinen familiären Pflichten kompatibel? Was ist, wenn die Kolleg:innen oder die Führungskraft an der neuen Stelle mich nicht willkommen heißen? Kann ich die neuen Aufgaben, die durch die Umstrukturierung auf mich zukommen, überhaupt bewältigen? Würde ich vereinsamen, wenn ich mich aus meiner unglücklichen Partnerschaft lösen würde? Was wäre, wenn ich mich in meiner Lebensplanung nicht mehr nach den Erwartungen meiner Eltern richten würde?“

Die eigenen Bedürfnisse kennen
All das sind wichtige Fragen, doch um ihnen wirklich auf den Grund zu gehen, ist es sinnvoll, den Blick auch in die Vergangenheit zu richten. Der Coach und Autor Josef Mikus verweist in diesem Zusammenhang auf ein afrikanisches Sprichwort, das lautet: „Wenn man nicht weiß, wohin man geht, sollte man sich erinnern, woher man kommt.“ Die Idee dahinter: Wer „den Blick auf das wirft, was möglicherweise treibende Sehnsüchte und Kräfte seines bisherigen Lebens waren“, kann dem auf die Spur kommen, was ihn/sie bisher unbewusst geleitet und geführt hat (vgl. Mikus 2020, S. 123). Die Frage nach dem Sinn im Leben ist mit diesen Überlegungen eng verknüpft, und nicht selten kommen in diesem Prozess plötzlich Wünsche und Ziele ins Bewusstsein, die früher einmal wichtig waren, dann aber lange keinen Platz mehr hatten. Sie können ein interessanter Ausgangspunkt dafür sein, herauszufinden, was wirklich wichtig für das eigene Leben ist. Ähnlich verhält es sich mit einem genauen Blick auf die Höhe- und Tiefpunkte des bisherigen Lebens – sei es in beruflicher oder in privater Hinsicht. Wer die eigenen Bedürfnisse, Visionen und Werte kennt und reflektiert, kann daraus Mut und Kraft für nächste Schritte schöpfen. Und auch der Blick auf die Misserfolge, die es wohl in jeder Biographie gibt, kann zur Ressource werden – indem die Erfahrungen gewürdigt und gelungene Lösungen geschätzt werden. 

Wenn nun, nachdem die Erfahrungen und Prägungen früherer Lebensabschnitte bewusst vor den Vorhang geholt wurden, über das aktuelle Thema nachgedacht wird, ist dieses in den größeren Rahmen eingebettet. Die Frage „Wer bin ich wirklich, wo will ich wirklich hin?“ fließt dadurch ganz selbstverständlich in die Überlegungen zur Entscheidungsfindung ein, weil die Person sich mit ihren tiefen Bedürfnissen verbunden hat. Ein reines Abarbeiten von Pro- und Kontra-Argumenten verliert dann an Bedeutung, und auch strategische Überlegungen erscheinen in einem anderen Licht. So gelangte zum Beispiel ein junger Mann in Ausbildung zu der Erkenntnis: „Möglicherweise wäre es besser, auf das Auslandsjahr zu verzichten, weil ich in dieser Zeit hier wichtige Netzwerke aufbauen und mein späteres berufliches Fortkommen positiv beeinflussen könnte. Aber ich habe schon seit vielen Jahren den Wunsch, einmal ganz woanders Erfahrungen zu sammeln, und diesen Wunsch möchte ich nicht mehr länger übergehen. Und wer weiß, wie sich mein Leben entwickeln wird? Wer sagt, dass genau diese Netzwerkarbeit für mich einmal entscheidend sein wird? Vielleicht tun sich ja noch ganz andere Wege auf.“

Innere und äußere Ressourcen aufspüren
Um zu solcher Klarheit zu finden, gilt es, Blockaden und Ängste zu überwinden. „Solche Blockaden liegen bevorzugt in den vorschnellen Urteilen, z. B. darüber, was geht und was nicht geht“, schreibt Mikus. „Die möglicherweise tiefste Blockade liegt im Mut, den ersten neuen Schritt zu tun, denn der könnte mich verletzlich zeigen. Und er ist risikobehaftet und könnte fehlschlagen.“ (Mikus 2020, S. 127) Was kann helfen, diesen Mut zu fassen? Gerade wenn man sich unter Druck fühlt oder Angst vor möglichen negativen Auswirkungen in der Zukunft hat, ist es wichtig, Zugang zu den eigenen Ressourcen zu finden. Fragen wie „Welche schwierigen Situationen habe ich in der Vergangenheit bewältigt? Was ist mir trotz widriger Umstände gelungen?“ können den Zugang zu inneren Ressourcen erleichtern. Manchmal gibt es auch äußere Ressourcen, die noch ungenutzt sind – z. B. Personen, die unterstützend sein könnten, auch wenn man das bisher nicht gedacht hätte. „Es muss oft nur ein neuer Blick auf sie geworfen werden“ (ebd., S. 128).

Zum Abschluss noch zwei wichtige Hinweise: 1. Gute Entscheidungen brauchen Zeit. Zögern ist daher nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu sehen, denn es kann die Qualität einer Entscheidung verbessern (vgl. Pioch 2021, S. 46). 2. Wenn Ihnen die Entscheidung zwischen zwei Optionen schwerfällt, suchen Sie nach einer dritten! Allein die gedankliche Öffnung bringt Bewegung in den Entscheidungsprozess (vgl. ebd., S. 6).

Liebe Leser:innen, oft ist es hilfreich, sich in solchen Prozessen von einer professionellen, außenstehenden Person unterstützen zu lassen. Wir sind gern für Sie da und freuen uns über Ihre Anfrage! >>Feedback<<


Ihr ´mcb Team 


Literatur:
Mikus, Josef (2020): Entscheidungen in Krisensituationen: Die innere Aufmerksamkeit neu fokussieren. In: Schmidt, Gunther / Dollinger, Anna / Müller-Kalthoff, Björn (Hrsg.): Gut beraten in der Krise. managerSeminare Verlags GmbH, 5. Auflage. S. 121–130
Pioch, Sebastian (2021): Quick Guide Wissensbasiert entscheiden. Wie Sie strukturierte Entscheidungen treffen können. Springer Gabler, 2. Auflage.

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