Ist die rosarote Brille ausverkauft?

Diese Aussage, die mit einem Augenzwinkern hervorgebracht wurde, enthält möglicherweise mehr als ein „Körnchen Wahrheit“. Sie beschreibt auf witzig-ironische Weise wie schwer es uns phasenweise fällt, einfach „nur“ glücklich zu sein. Natürlich sprechen derzeit sehr viele gesellschaftspolitische Faktoren dagegen und lösen Zukunftsängste oder Sorgen aus. In Anbetracht der Situation, dass wir bei diesen Punkten nur einen eingeschränkten Einflussrahmen haben, wollen wir uns an dieser Stelle auf den jeweiligen individuellen Gestaltungsrahmen konzentrieren.  Und die Entscheidung, ob wir nach dem berühmten „Haar in der Suppe“ suchen oder lieber nach schönen und positiven Elementen des Lebens, treffen letztendlich wir selbst, oder? 

Offenbar hat uns der Alltag dahingehend geformt, dass wir im täglichen Miteinander eine sehr kritische Sichtweise gegenüber unseren Mitmenschen und uns selbst entwickelt haben. Dass dadurch wichtige Werte wie Toleranz, Wertschätzung und Anerkennung in den Hintergrund geraten, nehmen wir scheinbar unkritisch in Kauf. Ein Wissenschaftsbereich, der sich seit Jahren mit Lebenszufriedenheit und einer positiven Lebenshaltung auseinandersetzt, wird als Positive Psychologie bezeichnet. Die Expert:innen vertreten die Meinung, dass unsere Zufriedenheit nicht ausschließlich von äußeren Einflüssen und anderen Menschen abhängig ist, sondern vor allen Dingen von uns selbst und unserer Einstellung zum Leben. Zufriedenheit, so eine wesentliche Erkenntnis aus dem Fachbereich, kommt nicht von selbst, sondern dahinter steckt auch ein durchdachtes Konzept. Sie sehen jede/n von uns als Entscheidungsträger:in und Gestalter:in des Lebens, indem wir im gegebenen Rahmen aktiv bestimmen, welche Aspekte des Lebens von uns in den Mittelpunkt gerückt werden. Probleme, Misserfolge und mögliche Fehler oder doch all die Dinge, die uns positiv berühren? Die Kassiererin, die uns gut gelaunt begrüßt und ein kleines Schwätzchen mit uns hält, die Kollegin, die uns unterstützt, obwohl sie gerade selbst viel um die Ohren hat? Natürlich wissen die Psycholog:innen, dass Sorgen, Probleme, Trauer und Überforderung kleine und größere Krisen auslösen können. Sie gehen sogar einen Schritt weiter und erinnern daran, dass ein Leben ohne Probleme und krisenhafte Momente auf jeden Fall wünschenswert wäre, aber in der menschlichen Realität leider nicht umsetzbar ist. Sie wissen auch, dass es Zeit und Verständnis braucht, um Schicksalsschläge und Probleme zu bewältigen und zu verarbeiten. Im weiteren Schritt, so die Expertenmeinung, entscheiden jedoch wir selbst welche Konsequenzen wir daraus ziehen und wie wir unser Leben nach Enttäuschungen oder schmerzlichen Erfahrungen weiter gestalten. Die wissenschaftliche Meinung besagt, dass wir gefühlten Defiziten oder negativen Aspekten eindeutig mehr Aufmerksamkeit schenken als positiven, schönen Erfahrungen und Momenten. Nämlich auch dann, wenn „Katastrophen in unserem Alltag gerade Pause machen“. Im besten Fall, so eine Empfehlung aus der positiven Psychologie, sollte unser kritischer Blick auf‘s Leben immer wieder proaktiv reflektiert und gegebenenfalls adaptiert bzw. korrigiert werden, besonders nach schwierigen Lebensphasen.  

Wie verändern wir unseren Blickwinkel?

In unserem Sprachgebrauch wird die „rosarote Brille“ einerseits als Synonym für naive Leichtgläubigkeit verwendet, andererseits beschreibt sie aber auch einen Zustand der Unvoreingenommenheit und Sorglosigkeit, den wir meistens dann verspüren, wenn wir frisch verliebt oder einfach nur glücklich sind. In diesem Fall genießen wir dieses Gefühl und bezeichnen es metaphorisch als „rosarote Brille“, weil sich einfach alles besonders schön anfühlt und dadurch wenig Raum für Unzufriedenheit bleibt.

In unserem gesellschaftlichen und beruflichen Alltag hingegen, haben wir die rosarote Brille scheinbar verlegt oder absichtlich weggeworfen. Unsere kritische Betrachtung verschont nichts und niemanden und macht natürlich auch vor uns selbst nicht halt. Wir entwickeln einen Blick für vermeintlich negative Punkte und wir konzentrieren uns ähnlich wie beim Korrekturlesen auf die Fehlersuche. Manchmal dehnen wir sie auch sehr stark auf unser Umfeld aus, was oftmals dazu führt, dass kein vermeintlicher Fehler unter unserem kritischen Blick verborgen bleibt. Wir vergleichen uns ständig mit unserem Gegenüber, was sehr oft Unzufriedenheit im Team, Neid, Konkurrenzsituationen, aber auch Selbstzweifel verursacht. 

Ein etwas anderer Zugang: 

Was würde also passieren, wenn wir beispielsweise heute eine individuell passende Version der rosaroten Brille aus unserer Erfahrungskiste hervorkramen und diese nur mal so zum Spaß ausprobieren? Wahrscheinlich würden wir unserem Nachbarn zu seinem viel zu großen Auto gratulieren und ihm eine gute Fahrt wünschen. Wir würden unserer Kollegin ein Kompliment zu ihrer gelungenen Präsentation machen, und vielleicht würden wir auch Kolleg:innen und Vorgesetzten mit etwas mehr Gelassenheit begegnen, weil wir erkannt haben, dass sie/er eben auch viele guten Seiten hat. Und möglicherweise würden wir uns selbst auch öfter versichern, dass wir trotz unserer menschlich bedingten „Spezialeffekte“ unser Bestes geben und als Menschen wertvoll sind. Es würde sich sicher lohnen genau hinzuschauen, um bei uns selbst viele positive Seiten und Stärken zu entdecken, ohne zu vergleichen. 

Im Spannungsfeld der täglichen Herausforderungen, des gesellschaftlichen Drucks und einer scheinbar grenzenlos optimierbaren Lebensführung scheint dies manchmal verloren zu gehen. Dennoch bleibt es uns selbst überlassen, welchen Blickwinkel wir einnehmen wollen, und ob wir nicht doch ab und zu durch die rosarote Brille einen wertschätzenden Blick auf uns und unser Leben werfen wollen … am Ende werden wir aus Versehen vielleicht doch noch glücklich. ;-)

Liebe Leser:innen, wenn Sie dieser Text positiv angesprochen hat, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Wir begleiten Sie auf Ihrem individuellen Weg zur persönlichen Zufriedenheit, denn  auch wir kennen einige hilfreiche Konzepte, die wir gerne mit Ihnen teilen wollen.  <<Feedback>>

Ihr mcb Team 

 

Literaturliste: 
Kappel, Johanne E.: Positive Psychologie; ISBN: 9798839847514    
Seligman, Martin (2014): Flourish. Wie Menschen Aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. Kösel Verlag

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