Mein Papa kann ALLES :-)

... und uns mit dem Thema Vaterrolle im Spannungsfeld persönlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Anforderungen und Herausforderungen beschäftigt.

Dazu haben wir zum Einstieg eine, für Väter nicht ganz unbekannte Situation beschrieben, die Tanten-Qualitäten und väterliche Lösungsexpertise gegenüberstellt.  

Vor ein paar Wochen waren mein Neffe und ich auf dem Spielplatz. Engagiert wollte ich meinen Unterhaltungsbeitrag leisten, der nach gewisser Zeit nicht mehr erwünscht war. Eine ungefähr gleichaltrige vierjährige Dame hat den Kontakt zu meinem Neffen gesucht und konnte natürlich viel besser Fangen spielen als ich. Lange Zeit hörte ich dem ansteckenden Kinderlachen zu und war nur mehr glückliche Beobachterin. Bis mein Neffe einen fatalen Fehler beging und seiner Spielgefährtin die Schaufel klaute. Das von ihm missverstandene Spielzeug-Sharing-Angebot führte zu einem lautstarken Konflikt. Mit stolz geschwellter Brust ging die engagierte Vierjährige auf meinen Neffen zu und forderte ihn beherzt auf: „Lass sofort die Schaufel los, sonst hol ich meinen Papa und der, der nimmt dir die Schaufel weg, weil…..(kurzes Überlegen) der kann ALLES.“

Mein Neffe reagierte zuerst erschrocken und dann vorsichtig, schließlich handelte es sich um engagierten Frauenpower. Er zog sich zurück und dachte nach. Offensichtlich kam ihm dann die zündende Idee und selbstsicher verkündete er: „Heute ist nur (!?) meine Tante da, aber daheim ist mein Papa und der ist viel stärker und „supperer“ als deiner!“ Voll motiviert nahm er meine Hand, schaute mich mit ernstem Gesichtsausdruck an und forderte bestimmt: „Tante, ich möchte heimgehen, das muss ich dem Papa erzählen!“ In diesem Moment wusste ich genau, dass ich keine Chance mehr hatte, unseren Spielenachmittag an dieser Stelle fortzuführen. Immerhin wollte ich auf keinen Fall mit dem Vorhaben, Papa alles zu erzählen, konkurrieren. Eine kleine Pause beim Eisstand war uns noch vergönnt, bevor Papa in dieser überlebenswichtigen Angelegenheit konsultiert wurde. 

Wie es ausgegangen ist? Mein Neffe kam mit stolzem Gesichtsausdruck zurück und wollte wieder zum Spielplatz. Schließlich habe Papa rückgemeldet, dass seine Problemlösung völlig ok war, denn „lieber Reden als Hauen“, so lautete Papas Devise. 

Vielleicht entlockt Ihnen die Szene an dieser Stelle ein Schmunzeln, weil sie ähnliche Erfahrungswerte haben. Und natürlich wissen Sie, dass Krisenbewältigung für den Nachwuchs in einigen Momenten viel anspruchsvoller und herausfordernder ist und zeitweise eine Menge Geduld, Kreativität und Ausdauer erfordert. Weil es eben oftmals nicht möglich ist, Konfliktbewältigung und Lösungsfindung durch eine Kurzzeitintervention herbeizuführen. In anderen Erziehungsphasen ist es weit anspruchsvoller und es braucht eine tragfähige Beziehungsbasis, damit auch ältere Kinder und Teenager den Ratschlägen und Tipps von Papa vertrauen. Denn nur, wenn Papa verlässlicher Teil ihres Alltages ist, kann er auch als Vorbild und Beschützer in den Lösungskonzepten des Nachwuchses eine Rolle spielen. 

Wie kann dies gelingen?   

Präsenz, Interesse und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Kinder:  Die Vaterrolle unterliegt dem Wandel der Zeit und auch dem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten und dem Anspruch, ein präsenter, verlässlicher und engagierter Vater zu sein. Das sieht man auch an dem Konzept der Väterkarenz. Heutzutage ist es keine Seltenheit mehr, dass Väter nach der Geburt ihres Kindes in Karenz gehen. Und selbst wenn dies aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist, sind Väter in vielen Familien durch ihre Präsenz und Anwesenheit ein wichtiger Faktor gelebter Elternschaft. Für viele Väter ist es selbstverständlich, einen Teil der Erziehung zu übernehmen und sich aktiv an der Organisation des Familienlebens zu beteiligen. Für die Kinder spielt es eine große Rolle, ob deren Väter ein spürbarer Teil ihres Alltages sind. Auch wenn in Phasen der kindlichen Entwicklung der Vater als Held eine wichtige Vorbildfunktion hat, genügt es über die Jahre, wenn Väter am Ball bleiben und trotz all der individuellen Herausforderungen konsequent den Kontakt halten und an der Beziehung arbeiten. Gerade ältere Kinder wissen, dass Papa nicht für alle Probleme sofort eine Lösung hat, dafür aber zuhört, ernst nimmt und einfach da ist.  

Natürlich leistet auch die Beziehungsqualität der Eltern einen wichtigen Beitrag in der kindlichen Erfahrung der Beziehungsgestaltung. Auch wenn die Eltern getrennt leben, erleben Kinder die neue Partnerschaft und den Umgang der Eltern miteinander oftmals als sehr prägend. Selbst in getrennten Partnerschaften sollte es so gut wie möglich gelingen, die Elternrolle konsequent einzunehmen, denn auf dieser Ebene gibt es keine Trennung, die gerechtfertigt wäre. Eine Liebesbeziehung kann enden, Elternschaft dauert ein Kinderleben lang und hat großen Einfluss auf Bindungsfähigkeit und Vertrauen der Kinder in ihrem Erwachsenendasein. Verlässliches Interesse an den Kindern, das auch dazu führt, dass die Kinder ihre Väter in deren individueller Zugangsweise zu bestimmten Themen erleben. „Wie geht Papa mit Herausforderungen um?“ Wie kommuniziert er mit Mama und anderen Menschen? Welche Werte vermittelt Papa und welche Stärken zeigt er? Ist er ein begnadeter Bastler, Fußballer oder auch ein toller Spielgefährte? Wenn Väter beispielsweise mit ihren Kindern raufen und toben, fördern sie deren Wettbewerbsfähigkeit, Unabhängigkeit und den Mut, Risiken auf sich zu nehmen. Und hier zählt vor allen Dingen Qualitätszeit und konsequente Zeiteinheiten beim Spielen, Quatschen und Kuscheln oder auch nur beim Lernen, weil Papa manche Dinge besser erklären kann als Mama. Es muss nicht immer Disneyland sein, manchmal genügt Papas ungeteilte Aufmerksamkeit bereits beim Abendessen. 

Manche Väter zweifeln an sich, haben selbst unverarbeitete Themen mit ihren männlichen Bezugspersonen, aber auch da gilt die Devise: „Keine Angst, wenn Fehler passieren. Kinder verzeihen sehr schnell, wenn wir ihnen nachvollziehbare und altersgerechte Erklärungen bieten.“ Es ist oftmals nicht das Schweigen, sondern das Reden, das über Fehler hinweghilft, die selbst den engagiertesten Vätern passieren können. 

Vatersein beinhaltet ähnlich wie Muttersein unzählige Herausforderungen und es braucht gefühlt ständige Aufmerksamkeit und ungebremstes Durchhaltevermögen. Und das ist oftmals ein energetisch aufwändiges Unterfangen. Schließlich sind viele Väter für das Haupteinkommen der Familie zuständig und der Spagat zwischen Berufskarriere, Familie und persönlichen Interessen ist sehr oft herausfordernd. Deshalb macht es manchmal Sinn, sich mit der Vaterrolle auseinanderzusetzen und  darauf zu achten für die Familie und für sich eine gute Balance zu finden. 

Liebe Leser:innen, wenn Sie dieses Thema in Ihrem Leben gerade eine wichtige Rolle spielt und Sie sich mit individuellen Lösungskonzepten aus professioneller Sicht auseinandersetzen wollen, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme. 

Und vielleicht erheitert sie ja noch die Schlussszene von dem am Anfang beschriebenen Samstag. Mein Neffe und ich haben unser Spiel im Garten fortgesetzt, gelacht, gekuschelt und vorgelesen bis….Opa mit meiner Nichte um die Ecke kam. Schneller als ich schauen konnte, düste mein Neffe davon und unterbreitete seiner Schwester ein großzügiges Angebot: „jetzt kannst du weitermachen mit den Mädchensachen, Opa ist endlich zum Fußballspielen bereit.“ ;-) <<Feedback>>
 
Ihr mcb Team 


Literatur:
Seiffge-Krenke, Inge (2016): Väter, Männer und kindliche Entwicklung. Ein Lehrbuch für Psychotherapie und Beratung. Springer Verlag
Peter Ballnik, Elisabeth Martinetz, Ornella G. Ballnik: "Lebenswelten Vater-Kind, positive Väterlichkeit und männliche Identität". Wien 2005

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