Immer noch mehr Arbeit ...

„Ich bin gerade im Stress!“ Wie oft hören wir uns selbst oder andere das sagen? Was meinen wir damit? Betrachten wir das „Gestresst-Sein“ als Normalzustand oder gar als erstrebenswert? Und: Ab wann wird Stress zum Problem?

Gerade noch funktionieren

In einer Welt, die uns tendenziell immer mehr Leistung abverlangt und suggeriert, dass wir sogar die privaten Lebensbereiche ständig optimieren sollten, kann es mitunter ziemlich eng für die Psyche werden. Ablesen lässt sich das unter anderem an der Anzahl der Burnout-Fälle. Im Jahr 2017 waren 8% der Bevölkerung in Österreich an einem Burnout erkrankt. Zugleich befanden sich 19% in einem Problemstadium und 17% in einem Übergangsstadium. (vgl. Scheibenbogen et al. 2017) Diese kritischen Phasen „kurz vor dem Burnout“ bezeichnen die Psychologen Bert te Wildt und Timo Schiele in ihrem 2021 erschienenen Buch als „Burn on“ – und plädieren dafür, diesen ungesunden Zustand, in dem sich viele Menschen über lange Zeit befinden, ernst zu nehmen. Denn: Wer ein Burnout hat, erlebt meist einen richtigen Zusammenbruch mit Symptomen wie Weinkrämpfen oder Angstzuständen. Doch auch die vom Durchhalten gekennzeichneten Vorphasen sind kritisch. Mit hohem Kraftaufwand schaffen die Menschen es, gerade noch zu funktionieren. In diesem Zustand verharren viele über eine lange Zeit. Sie bleiben beruflich leistungsfähig, lassen sich dort vielleicht gar nichts anmerken. Aber alle anderen Lebensbereiche werden auf ein Minimum reduziert, sodass die nährenden und kraftgebenden Dinge auf der Strecke bleiben. Burnoutpatient:innen berichten oft rückblickend, dass sie diese Frühwarnsignale nicht wahrgenommen bzw. nicht erkannt haben. Stattdessen wird versucht, die Arbeitsüberlastung durch immer noch mehr Arbeit zu bewältigen – und die „Erschöpfungsspirale“ dreht sich. 

Burnout: wenn die Balance verloren geht

Das Burnout-Syndrom ist durch drei zentrale Merkmale gekennzeichnet: Starke emotionale Erschöpfung, reduzierte berufliche Leistungsfähigkeit und eine innere Distanz zur Arbeitsstelle, wobei diese oft mit einer negativen oder gar zynischen Haltung zum eigenen Job verbunden ist. Maslach und Leiter (2001) gehen von „sechs Missverhältnissen zwischen Mensch und Arbeit“ aus, die ein Burnout-Syndrom verursachen können. All das soll jedoch nicht dazu verleiten, die Entstehung des Syndroms, die meist über mehrere Jahre verläuft, allein auf berufliche Belastungen zurückzuführen. Für die Entstehung und den Verlauf der Erkrankung sind alle Einflüsse aus den Bereichen „Person | Familie | Berufsleben | Gesellschaft“ relevant. Fachleute aus der Burnout-Forschung und -Therapie empfehlen daher, möglichst ganzheitlich an das Problem heranzugehen und (sich selbst oder anderen) folgende Fragen zu stellen: „Was haben Sie selbst zu Ihrem Burnout beigetragen? Wie verstärkt Ihre Familie Ihre Erschöpfung? Welche Faktoren am Arbeitsplatz fördern das Ausbrennen? Welche gesellschaftlichen Bedingungen tragen dazu bei, dass Sie Ihre Belastungsgrenzen überschreiten?“ (Vgl. Geyerhofer/Unterholzner 2008, S. 194)

Dieses Erkunden von Ursachen ist zugleich der erste Schritt zum Finden von Lösungsstrategien, denn es macht deutlich, dass es viele mögliche Ansatzpunkte gibt. Wenn in einem Bereich Ressourcen gestärkt und in einem anderen Belastungen reduziert werden können, wirkt sich das bereits deutlich auf die Stressbilanz aus. Aus der Forschung wissen wir auch, dass manche Einflussfaktoren bei Männern und Frauen unterschiedlich gewichtet sind. „Während bei den Männern der Stress am Arbeitsplatz die Hauptursache für eine Burnout-Erkrankung ist, liegt bei den Frauen der Grund im Rollenkonflikt zwischen Erwerbsarbeit und Familie.“ (Kurzthaler 2022)

Wenn Arbeitsüberlastung das Thema ist, geht es oft nicht um die Arbeit oder die Arbeitsmenge insgesamt, sondern um ganz bestimmte Arbeitsbedingungen – etwa solche, die dazu führen, dass man sich außerstande sieht, gute und sinnvolle Arbeit zu leisten. Besonders belastend sind Konflikte mit anderen Personen, mangelnde soziale Unterstützung oder etwa ausgrenzendes Verhalten. All das vermindert das Wohlbefinden gravierend und nachhaltig, „und es tritt keine Gewöhnung an die Belastung ein.“ (ebd.)

Kleine Pausen und klare Strukturen

Was kann man also tun? Einfach abwarten und hoffen, dass alles besser wird? Auf Pausen verzichten und noch mehr arbeiten? Den Fehler bei sich suchen und weiter an der eigenen Selbstoptimierung arbeiten? All das wird oft versucht und führt kaum zum Erfolg, sondern birgt Gefahrenpotenzial. Der „Stressreport Deutschland“ berichtet, dass ein Viertel der Beschäftigten sogar die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen auslässt – besonders erwähnt werden hier weibliche Führungskräfte und Personen, die in Gesundheits- und Sozialberufen arbeiten. Kleine Pausen, in denen man sich körperlich und geistig entspannt, den Blick in die Ferne richtet und Energie tankt, sind aber immens wichtig. Sie helfen auch, nach der Arbeit besser abschalten und sich erholen zu können. (vgl. Kleinschmidt 2022)

Burnout-Prävention ist nicht nur eine Aufgabe für jede einzelne Person, sondern auch für das Unternehmen und die Führungskräfte, die förderliche Rahmenbedingungen schaffen können: klar verteilte Zuständigkeiten und Rollen, eine gute Besprechungskultur und unterstützende Organisationsstrukturen. Dennoch: Wer das Gefühl hat, sich in Richtung Burnout zu bewegen, sollte selbst aktiv werden und zum Beispiel eine Standortbestimmung versuchen: „Wo stehe ich im Leben? Wie ist die Qualität meiner Arbeit? Was sind (waren) meine Ziele? Welche Ziele haben für mich Priorität? Geschieht mein Leben oder gestalte ich es?“ (Kurzthaler 2022)

Diese Reflexionsarbeit ist erfahrungsgemäß wesentlich leichter, wenn sie mit einem unterstützenden, professionellen Gegenüber gemacht wird. Wir haben viel Erfahrung mit diesen Themen und begleiten Sie gerne in Ihrem individuellen Prozess.<<mcb@tirol-kliniken.at 

Ihr ‘mcb-Team

 

Literatur:

Kurzthaler, Ilsemarie: Burnout – ein vorübergehendes Tief oder ein kritischer Zustand? Vortrag am 2.6.2022 im Rahmen der Ringvorlesung Gender Medizin, Medizinische Universität Innsbruck.
Kleinschmidt, Carola (2022): Burn on. Psychologie heute, 49. JG, Heft 3, Beltz Verlag, Weinheim.
Geyerhofer, Stefan / Unterholzer, Carmen (2008): Burnout aus systemischer Sicht. In: Systeme 2008, Jg. 22 (2): 177-200.
Maslach, Christina / Leiter, Michael P. ( 2001): Die Wahrheit über Burnout. Stress am Arbeitsplatz und was Sie dagegen tun können. Springer-Verlag Wien New York.
Scheibenbogen O. et al., Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout und Anton Proksch Institut: Zusammenfassung der Studie Prävalenz des Burnout-Syndroms in Österreich, Wien 2017. Aufgerufen am 30.3.2023.
te Wildt, Bert / Schiele, Timo ( 2021): Burn On. Immer kurz vorm Burn Out. Das unerkannte Leiden und was dagegen hilft. Droemer, München.

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