Ich bin für dich da - über die Kunst des aufeinander Schauens

... war eine der häufigsten Antworten in einer Jugendumfrage, die vor geraumer Zeit in einer Tiroler Gemeinde durchgeführt wurde.

Einen Kümmerer – das klingt zunächst so gar nicht nach cooler Jugendsprache und dennoch zeigt es ein Bedürfnis, das nicht nur die jüngere Generation verspürt sondern phasenweise wir alle. Doch was ist konkret gemeint, wenn dieser umgangssprachliche Begriff verwendet wird?

Einem Kümmerer werden unterschiedliche fürsorgliche Charaktereigenschaften zugeschrieben, viele verbinden mit dem Begriff die Vorstellung, dass sie bei ihr/ihm einfach sein dürfen wie sie sind. Authentisch und „ungeschminkt“, willkommen mit genau den Themen, die sie/ihn gerade beschäftigen. Sie denken dabei an eine Person, die sie in ihrer Individualität wahrnimmt, akzeptiert und ohne konkrete Veränderungswünsche Unterstützung anbietet. Der Wunsch nach einem Kümmerer, unabhängig von Alter und Geschlecht wirkt wie ein Weckruf. Er kommt in einer Zeit, in der die Fassade der scheinbar heilen Welt immer brüchiger und die Sehnsucht nach echter Zuwendung und Aufmerksamkeit immer größer wird.

Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Veränderungsprozesse unaufhaltsam sind und uns täglich vor Herausforderungen stellen. Krankheits- oder Gesundheitsthemen, Energiekrise, Teuerung oder Jobverlust sind nur einige der Ängste, die uns aktuell beschäftigen und medial sehr präsent sind. Aber auch die Scheinwelt der sozialen Medien, die eine Perfektion vorgaukeln, die in Wahrheit unerreichbar ist, lässt vor allem junge Menschen zweifeln und verzweifeln. Probleme und existentielle Sorgen sind präsent und sorgen für Gesprächsstoff. Viele wollen für ihre Bezugspersonen da sein, besonders für diejenigen, denen sie sich verbunden fühlen. Die Frage ist nur „wie“ und darauf wollen wir in diesem Newsletter näher eingehen.

Aus der Resilienzforschung wissen wir, dass soziale Kontakte eine unserer wertvollsten Ressourcen sind um wieder in die eigene Kraft zu kommen. Zu spüren, dass wir mit unseren Sorgen nicht alleine sind, ist eine wichtige Grundlage für eine positive Neuorientierung. Und genau hier können wir sehr viel bewirken, wenn wir uns drei wichtige Punkte bewusstmachen:

1) Zeit schenken ist unbezahlbar

Sich für jemanden Zeit zu nehmen, ist gerade in schwierigen Lebensphasen das größte Geschenk, das wir jemandem anbieten können. Wenn es gelingt, das Gefühl zu vermitteln, dass im Augenblick alles Platz hat was sie/ihn beschäftigt, dann vermitteln wir bereits, dass wir bereit sind, uns zu kümmern – alles darf gesagt werden, alles wird gehört.

Dabei ist es wichtig, persönliche Bewertungen erst einmal beiseite zu lassen. „Ich bin da für dich“ bedeutet, dass wir auf gut gemeinte Ratschläge verzichten und dabei nicht unsere Probleme oder Sorgen sondern die unseres Gegenübers in den Mittelpunkt stellen.

2) Aktiv Interesse bekunden

Sollten wir Menschen kennen, die in einer echten Krise stecken, hilft das aktive Zugehen auf diesen Menschen. Wir alle kennen den berühmten Satz: „Du kannst dich jederzeit melden, wenn du etwas brauchst.“ Jedoch erfolgt daraus meist keine Reaktion, obwohl die Aussage in den meisten Fällen ein ernst zu nehmendes Unterstützungsangebot darstellt. Ein konkretes: „Hast du Lust auf ein Treffen nächste Woche“, signalisiert echtes Interesse und stellt ein Angebot dar, das jemand auch ausschlagen darf. Krisensituationen veranlassen manche Menschen dazu, vorübergehend den sozialen Rückzug zu wählen, weshalb eine solche Geste und die Tatsache, dass sich jemand die Mühe macht, nachzufragen schon als entlastend und unterstützend wahrgenommen wird. Unabhängig davon, ob das Angebot angenommen wird oder nicht, signalisiert es, dass jemand da ist.

3) Keine voreiligen Lösungen präsentieren

Eine der schwierigsten Herausforderungen beim Zuhören und Unterstützen ist das Aushalten und Annehmen von den Themen und Emotionen, die gerade in diesem Augenblick präsent sind. Zu erkennen, dass es einem Menschen nicht gut geht, ist eine Sache, es zu akzeptieren und zunächst einmal nur da zu sein, eine ganz andere. Manchmal neigen wir dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen und eine Vielfalt von möglichen Lösungen zu präsentieren oder das Ganze mit Humor zu überspielen. Dies sind durchaus gut gemeinte Absichten, die sogar helfen können, aber nur dann, wenn wir sicher sein können, dass es die Person in der aktuellen Situation wirklich unterstützt und braucht. Gemeinsames Lachen kann besonders dann befreiend wirken, wenn wir uns respektiert und angenommen fühlen.   

Liebe Leserinnen und Leser, gerade im Gesundheitsbereich sind die Menschen täglich darum bemüht, andere zu unterstützen und bestmöglich zu versorgen. Deshalb ist es umso wichtiger, auf die eigene psychische Balance zu achten und gut für sich zu sorgen. Sollten Sie diese Themen beschäftigen oder auch belasten, dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Wir sind gerne für Sie da und kümmern uns verlässlich um den Rest. ;-) <<Feedback>>

Ihr mcb Team

 

Literaturquellen:

Schlechner Johanna, Zürner Heidemarie; Krisen bewältigen – Viktor E. Frankls 10 Thesen in der Praxis; Braumüller Verlag, Wien 2018

Heller Jutta; Resilienz – 7 Schlüssel für mehr innere Stärke; Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 2021

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